L-Bank-ifo-Konjunkturinterview

Folgt auf den freundlichen Sommer eine Herbstdepression?

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Die konjunkturelle Stimmung im Südwesten hat sich über die Sommermonate weiter gebessert und vom Corona‑Einbruch erholt; die weitere Entwicklung ist aber untrennbar mit dem Pandemieverlauf verbunden. | „Solange die Pandemie aus medizinischer Sicht nicht überwunden ist, wird sie uns auch konjunkturell beschäftigen“, so die Einschätzung von Edith Weymayr, Vorsitzende des Vorstands der L‑Bank.

Karlsruhe, 16.10.2020. Trotz zuletzt wieder steigender Infektionszahlen hat sich die konjunkturelle Erholung im dritten Quartal fortgesetzt – wenn auch mit schrittweise nachlassender Dynamik. In der L‑Bank-ifo-Konjunkturumfrage beurteilten die befragten Unternehmen ihre aktuelle Lage im September deutlich besser als noch zum Ende des Vorquartals; der entsprechende Indexwert stieg von ‑33 auf ‑7 Punkte. Auch die Erwartungen für die weitere Entwicklung haben sich während der Sommermonate noch einmal aufgehellt; optimistische und pessimistische Stimmen halten sich nun die Waage. Insgesamt stieg der L‑Bank-ifo-Geschäftsklimaindex im negativen Bereich von ‑24 Punkten im Juni auf ‑4 Punkte im September. Das auch hierzulande wieder deutlich zunehmende Infektionsgeschehen könnte der Südwestwirtschaft in den Herbst- und Wintermonaten allerdings einen deutlichen Dämpfer verpassen.

Frage: Frau Weymayr, die Stimmungswerte der baden‑württembergischen Unternehmen haben sich seit dem tiefen Einbruch im April bereits wieder deutlich erholt. Wird sich diese Erholung im Schlussquartal weiter fortsetzen oder stehen wir vor einem erneuten Einbruch?

Antwort: Im Moment haben wir es in Baden‑Württemberg – das sehen wir täglich – mit einem deutlichen Anstieg der Infektionszahlen zu tun. Und das wird, davon können wir ausgehen, wieder zu stärkeren Einschränkungen des öffentlichen Lebens führen. Und diese Einschränkungen werden sich natürlich in den kommenden Monaten in vielen Branchen wieder belastend auf die konjunkturelle Entwicklung auswirken. Für Baden‑Württemberg kommt hinzu, dass das Land mit seiner außenwirtschaftlichen Orientierung ganz besonders exponiert ist und anfällig für das, was global im Rahmen der Pandemie passiert. Also insofern ist der Südwesten da besonders stark betroffen.

Frage: Wie ist die Situation im Baugewerbe? Sind die Auswirkungen der Krise inzwischen auch in diesem Sektor spürbar?

Antwort: Das Bauhauptgewerbe und darin insbesondere der Wohnungsbau heben sich immer noch sehr positiv von den anderen Wirtschaftssektoren ab. Von Krise kann man hier nicht unbedingt sprechen. Im Lauf des dritten Quartals ist das Geschäftsklima im Wohnungsbau sogar noch einmal gestiegen. Das setzt sich zusammen aus der Beurteilung der aktuellen Geschäftslage, die sich auf einem sehr hohen Niveau befindet und aus den Erwartungen für die kommenden Monate, in denen mit keiner Verschlechterung gerechnet wird. Das statistische Landesamt hat ermittelt, dass die Umsätze im ersten Halbjahr sogar um vier Prozent über dem Vorjahreszeitraum lagen. Nur bei den Auftragseingängen hat der Konjunktureinbruch des ersten Halbjahres tatsächlich seine Spuren hinterlassen.

Frage: Wie beurteilen die Südwestunternehmen die konkreten Auswirkungen der Corona‑Krise auf ihre Bilanzen und ihre Kapitalausstattung?

Antwort: Eine Sonderumfrage des ifo‑Instituts hat uns gezeigt, dass die Krise insbesondere im Dienstleistungssektor und im verarbeitenden Gewerbe negative Auswirkungen auf die Kapitalquoten hatte. Schaut man im verarbeitenden Gewerbe genauer hin, ist es insbesondere die Automobilbranche, die stärker betroffen ist. Im Dienstleistungsbereich – und das überrascht jetzt nicht – sind insbesondere Unternehmen aus den Bereich Beherbergung und Gastronomie, aber auch natürlich Reisebüros und Reiseveranstalter von dramatischen Einbrüchen in ihren Eigenkapitalquoten betroffen. Was erfreulich ist: Die Verfügbarkeit von Bankkrediten, also die Finanzierung für die befragten Unternehmen, hat sich seit März sogar leicht verbessert. Der Hintergrund ist, dass die zahlreichen und umfangreichen Fördermaßnahmen, die sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene zur Verfügung gestellt werden, sich positiv bemerkbar machen.

Frage: Welche Erkenntnisse lassen sich aus diesen Einschätzungen für die Konzeption weiterer Fördermaßnahmen ableiten?

Antwort: Die Ergebnisse, so wie wir sie heute sehen, bestärken uns darin, dass es jetzt darauf ankommt, dass insbesondere die Eigenkapitalbasis und die Innovationskraft junger und mittelständischer Unternehmen gestärkt werden. Deshalb freut es mich besonders, dass die Landesregierung in Kooperation mit der L‑Bank das Programm Digitalisierungsprämie Plus an den Start gebracht hat. In diesem Programm können die Unternehmen zwischen einer Zuschuss- und einer Darlehensvariante wählen. Und dann gibt es ein weiteres Programm, das sogenannte Mezzanine-Beteiligungsprogramm Baden-Württemberg, das wir in Zusammenarbeit mit dem Bund und der KfW schon Mitte September an den Start gebracht haben. In diesem Programm geht es darum, die Finanzierungsstruktur von Start‑ups und mittelständischen Unternehmen durch die Zurverfügungstellung von eigenkapitalähnlichen Finanzierungen zu verbessern.

Hintergrund

Für den L‑Bank-ifo-Konjunkturbericht werden monatlich über 1.200 Unternehmen zu ihrer Einschätzung der aktuellen Geschäftslage sowie ihren Erwartungen für die nächsten sechs Monate befragt. An der L‑Bank‑GfK-Verbraucherumfrage zur Ermittlung des Preis-, Konjunktur-, Einkommens- und Anschaffungsklimas beteiligen sich in der Regel rund 300 Privatpersonen.

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  • Presseinformation: L-Bank-ifo-Konjukturinterview im Oktober 2020

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    Eingestellt am 16.10.2020
    Gültig ab 16.10.2020
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