Konjunktur-Interview

Südwestunternehmen schweben zum Jahreswechsel zwischen Hoffen und Bangen

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Die vierte Corona-Welle belastet vor allem Unternehmen im Einzelhandel und Dienstleistungssektor – ab Frühjahr ist mit einer Steigerung der konjunkturellen Dynamik zu rechnen.

Für den weiteren Jahresverlauf gibt es die begründete Hoffnung, dass die konjunkturelle Dynamik deutlich zunimmt. Im Verlauf des Frühjahrs sollten nicht nur die Infektionszahlen sinken: Auch der Auftragsstau in der Industrie dürfte sukzessive abgebaut werden, wenn sich die immer noch anhaltenden Störungen in den Lieferketten auflösen, so die Einschätzung von Edith Weymayr, Vorsitzende des Vorstands der LBank.

Karlsruhe, 17.01.2022. Die vierte Pandemiewelle und anhaltende Lieferschwierigkeiten haben den Südwestunternehmen den Jahresausklang verhagelt. Aufgrund eines massiven Stimmungseinbruchs im Einzel­handel und im Dienstleistungssektor hat sich das LBankifoInstitut für WirtschaftsforschungGeschäftsklima im Dezember deutlich von 19 auf 12 Punkte eingetrübt. Das entspricht dem stärksten Rückgang seit Ausbruch der Pandemie im Jahr 2020. Absolut betrachtet liegt das Geschäftsklima aber noch immer im positiven Bereich und deutlich über den Tiefständen des Jahres 2020.

Frage: Frau Weymayr, hinter uns liegt ein turbulentes Jahr, das nicht nur aus konjunktureller Sicht wieder entscheidend von der Pandemie geprägt war. Wie lautet Ihr Fazit?

Antwort: In der Tat war das Jahr 2021 wieder sehr wechselhaft und hatte auch aus konjunktureller Sicht seine Licht- und Schattenseiten. Besonders bitter für die Menschen und Unternehmen im Land war und ist unverändert, dass wir nicht nur zu Beginn des Jahres 2021, sondern auch in diesem Winter wieder der Pandemie Tribut zollen und Ein­schränkungen in Kauf nehmen müssen. Hinzu kommen noch die Probleme, die durch Lieferengpässe und steigende Energie- und Rohstoffpreise entstehen und insbesondere die Industrie nach wie vor belasten.

Man kann aber auch – und dazu würde ich tendieren – die positiven Aspekte betonen: Baden-Württemberg hat sich trotz aller widrigen Umstände bereits deutlich vom pandemiebedingten Einbruch erholt und wird aller Voraussicht nach im Lauf des kommenden Jahres das Vorkrisenniveau wieder erreichen.

Frage: Wagen wir einen Blick voraus: Wie wird sich aus Ihrer Sicht die konjunkturelle Situation im Jahr 2022 entwickeln?

Antwort: Wir erwarten, dass zumindest das erste Quartal des Jahres 2022 wieder stark durch die Pandemie und die damit einhergehenden freiwilligen oder staatlich verordneten Kontakteinschränkungen geprägt sein wird. Diese dürften auch die konjunkturelle Erholung zunächst bremsen. Eine aktuelle Umfrage des ifo-Instituts unterstreicht diese Entwicklung: Die Südwestunternehmen sehen derzeit wieder einen deutlich stärkeren Effekt der Pandemie auf ihre eigene Geschäftslage als noch im Sommer.

Frage: Was erwarten Sie im weiteren Verlauf des Jahres?

Antwort: Für den weiteren Jahresverlauf gibt es die begründete Hoffnung, dass die konjunkturelle Dynamik deutlich zunimmt. Ab dem Frühjahr sollten nicht nur die Infektionszahlen sinken: Auch der Auftragsstau in der Industrie dürfte sich sukzessive auflösen – wenn die Engpassfaktoren an Bedeutung verlieren. Hiervon könnte dann Baden-Württemberg mit seiner industriegeprägten Wirtschaftsstruktur ganz besonders profitieren.

Insgesamt halten wir – wie die meisten Forschungsinstitute – ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von rund vier Prozent auf Bundesebene für realistisch. Natürlich ist diese Prognose aber an bestimmte Annahmen geknüpft und könnte auch schnell überholt sein, wenn beispielsweise die pandemische Entwicklung einen längeren, umfassenden Lockdown erforderlich macht.

Frage: Wie ist die Stimmungslage der Privathaushalte zum Jahresbeginn 2022? Überwiegt die Zuversicht oder der Pessimismus?

Antwort: In unserer LBankGfKGesellschaft für KonsumforschungVerbraucherumfrage zeigt sich, dass die Stimmungslage der Privathaushalte neben der pandemischen Lage von zwei gegenläufigen Faktoren beeinflusst wird: der positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt auf der einen und der steigenden Inflation auf der anderen Seite. Trotz aller konjunkturellen Schwankungen und Unwäg­barkeiten war der Trend auf dem Arbeitsmarkt im Jahr 2021 kontinuierlich positiv. Zum Jahresende lag die Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg bei lediglich 3,4 Prozent und damit schon wieder nah am Vorkrisenniveau.

Frage: Inwieweit beeinflusst die hohe Inflationsrate die Stimmung der Menschen im Land?

Antwort: Wir haben es derzeit mit den höchsten Inflationsraten seit Jahrzehnten zu tun. Im Südwesten sind die Verbraucherpreise im Dezember um fünf Prozent gestiegen. Insbesondere die stark steigenden Energiepreise machen den Privathaushalten schwer zu schaffen. Das alles hat zur Folge, dass sich zum einen das Einkommensklima im Lauf des Jahres nicht nennenswert erholt hat und zum anderen das Preisklima – also die subjektive Inflationswahrnehmung – zum Jahresende auf 61 Punkte und damit nahe an den historischen Höchststand aus dem Herbst 2008 gestiegen ist. Dort waren es 63 Punkte.

Frage: Der Bausektor und insbesondere der Wohnungsbau haben sich in der Vergangenheit häufig als konjunktureller Stabilitätsanker erwiesen. War das auch im Jahr 2021 der Fall?

Antwort: Die Stimmungslage unter den Wohnungsbauunternehmen war auch im Jahr 2021 trotz aller Lieferprobleme und Materialknappheiten wieder erstaunlich stabil. Die außerordentlich guten und stabilen Stimmungswerte sind natürlich auf die ungebrochen hohe Nachfrage nach Wohnraum zurückzuführen.

Die Kehrseite dieser Medaille liegt – zumindest aus der Perspektive der Bauherren – in den scheinbar unaufhaltsam steigenden Baupreisen. Zum Ende des Jahres 2021 hat das Statistische Landesamt bei den Preisen für Bauleistungen sogar die größten Steigerungsraten in diesem Jahrhundert beobachtet. Nämlich 14,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr, gemessen im November 2021. Die LBankifoPreiserwartungen der Wohnungsunternehmen liegen mit 50 Punkten sehr deutlich im positiven Bereich. Angesichts der weiter steigenden Materialpreise und des Fachkräftemangels ist damit auch im Jahr 2022 kein Ende der Baupreissteigerungen in Sicht.

Frage: Die L-Bank hat die Südwestunternehmen durch alle pandemie­bedingten und konjunkturellen Schwierigkeiten des vergangenen Jahres begleitet und gleichzeitig die Transformation der Wirtschaft unterstützt. Mit welchen Maßnahmen? 

Antwort: Seit Beginn der Pandemie hat die L-Bank im Rahmen der verschiedenen Hilfsprogramme allein im Zuschussbereich fast 9 Mrd. Euro an über 500.000 Antragstellende ausgezahlt. Dabei hat die Bandbreite der Corona-Hilfsprogramme im Laufe des Jahres 2021 weiter zugenommen.

Während zu Beginn der Corona-Pandemie das Hilfsangebot branchenübergreifend einheitlich ausgestaltet war, wurden im vergangenen Jahr die Unterstützungsangebote zunehmend präzisiert und zielgerichtet auf besonders betroffene Unternehmen ausgerichtet.

Spezielle Angebote für Messen und Ausstellungen, die Unterstützung von Kulturveranstaltungen, Hotellerie und Gastronomie, gemeinnützige Organisationen, aber auch breiter angelegte Programme für Existenz­gründende und junge Unternehmen, Soloselbstständige oder mittel­ständische Unternehmen mit Liquiditätsengpässen haben zur Stabilisie­rung der Wirtschaft beigetragen.

Frage: Können Sie uns zum Abschluss noch einen Ausblick aufs Jahr 2022 geben?

Antwort: Sehr gerne. Was uns besonders gefreut hat: Baden-Württembergs Unternehmen haben auch während der Corona-Krise weiter auf Innovationen gesetzt und die Digitalisierung vorangetrieben.

8.700 Unternehmen haben im Jahr 2021 mit der Digitalisierungsprämie Plus ihre nächsten Digitalisierungsschritte in die Wege geleitet. Auch die Innovationsfinanzierung erzielte mit 820 bewilligten Anträgen und einem Darlehensvolumen von 470 Mio. Euro nochmals Zuwächse.

Diese hohen Innovationsanstrengungen sind eine gute Basis für die weitere Transformation der Wirtschaft und die zukünftige Behauptung unserer Wettbewerbsposition. Wir werden unseren Mittelstand dabei auch im Jahr 2022 tatkräftig unterstützen und unsere Angebote im Bereich der Nachhaltigkeit gezielt ergänzen.

Hintergrund

Für den LBank-ifo-Konjunkturbericht werden monatlich über 1.200 Unternehmen zu ihrer Einschätzung der aktuellen Geschäftslage sowie ihren Erwartungen für die nächsten sechs Monate befragt. An der LBankGfKVerbraucherumfrage zur Ermittlung des Preis-, Konjunktur-, Einkommens- und Anschaffungsklimas beteiligen sich in der Regel rund 300 Privatpersonen. Für den LBankWohnungsbauReport wird die baden-württembergische Baubranche einmal im Quartal einer vertieften Analyse unterzogen.

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  • Presseinformation: Südwestunternehmen schweben zum Jahreswechsel zwischen Hoffen und Bangen

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    Eingestellt am 17.01.2022
    Gültig ab 17.01.2022
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