Konjunktur-Interview

Konjunktur 2023: Hoffnungsschimmer zum Jahreswechsel

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Positive Lageeinschätzung, weniger pessimistische Erwartungen – L‑Bank-ifo-Geschäftsklima erstmals seit Juni 2022 wieder positiv

„Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und dessen Auswirkungen haben das Jahr 2022 auch aus konjunktureller Sicht maßgeblich geprägt. Eine rezessive Entwicklung im Winterhalbjahr wird nicht zu vermeiden sein. Die Forschungsinstitute sind sich in ihren Prognosen aber relativ einig, dass im Jahr 2023 nur ein vergleichsweise leichter Rückgang der Wirtschaftsleistung zu erwarten ist. Aber: Probleme bei der Fremdfinanzierung oder gar eine ‚Kreditklemme‘ sind in der aktuellen Krisensituation zumindest noch nicht zu beobachten“, bewertet Edith Weymayr, Vorsitzende des Vorstands der L‑Bank, das letzte Jahr und die aktuelle Lage.

Karlsruhe, 12.01.2023. Nach einem turbulenten Verlauf endete das Jahr 2022 zumindest aus konjunktureller Sicht mit einer versöhnlichen Note. So ist das L‑Bank-ifoInstitut für Wirtschaftsforschung-Geschäftsklima im Dezember erstmals seit einem halben Jahr wieder knapp in den positiven Bereich gestiegen. Die Stimmungsaufhellung ist darauf zurückzuführen, dass die Südwestunternehmen ihre Perspektiven für die kommenden sechs Monate nicht mehr ganz so düster sehen wie noch im Herbst. Der Indexwert für die Geschäftserwartungen ist dementsprechend gestiegen.

Frage: Frau Weymayr, hinter uns liegt ein weiteres dramatisches und schwieriges Jahr. Was waren aus konjunktureller Sicht die prägenden Faktoren?

Antwort: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und dessen Auswirkungen haben das Jahr 2022 natürlich auch aus konjunktureller Sicht maßgeblich geprägt. Wir hatten es mit gewaltigen Angebotsschocks und Engpässen, beispiellosen Preissteigerungen und erheblichen Problemen bei der Energieversorgung zu tun. Dass diese Belastungen auch die Südwestunternehmen hart treffen, ist nur logisch. Wenn man sich die Entwicklung des L‑Bank-ifo-Geschäftsklimas im Jahresverlauf anschaut, war dementsprechend seit dem Kriegsbeginn Ende Februar bis in den Herbst hinein ein klarer Negativtrend zu erkennen. Das Geschäftsklima sank in diesem Zeitraum deutlich.

Frage: Zum Jahresende hat sich die Stimmungslage der Südwestunternehmen dann wieder etwas aufgehellt und das Geschäftsklima stieg zumindest wieder knapp in den positiven Bereich. Fällt die befürchtete Winterrezession nun aus?

Antwort: Die Betriebe sind natürlich erleichtert, dass das Risiko einer Gasmangellage inzwischen deutlich gesunken ist und dass der Höhepunkt der massiven Preissteigerungen offenbar überschritten ist. Nichtsdestotrotz dürfte eine rezessive Entwicklung im Winterhalbjahr nicht zu vermeiden sein, da die Preissteigerungen immer mehr an den Realeinkommen zehren und somit die Konsumkraft reduzieren. Die Forschungsinstitute sind sich in ihren Prognosen aber relativ einig, dass im Jahr 2023 kein tiefer Einbruch, wie beispielsweise nach Ausbruch der Corona-Pandemie, sondern nur ein vergleichsweise leichter Rückgang der Wirtschaftsleistung zu erwarten ist. Diese Prognosen sind aber naturgemäß mit großen Unsicherheiten behaftet. Vor allem sind die Probleme bei der Gas- und Energieversorgung bei weitem noch nicht überstanden und können auch im Winter 2023/24 noch zu erheblichen Problemen führen.

Frage: Gibt es in dieser schwierigen Situation für die Unternehmen im Land Probleme bei der Kreditversorgung durch Banken? 

Antwort: Im Rahmen der L‑Bank-ifo-Konjunkturumfrage werden die Südwestunternehmen auch einmal im Quartal gefragt, ob sie zuletzt Kreditverhandlungen geführt haben und wie sie in diesem Zusammenhang das Verhalten der Banken beurteilen. Der prozentuale Anteil der Unternehmen, die die Banken dabei als restriktiv beschreiben, wird als die sogenannte Kredithürde bezeichnet. Zum Jahresende 2022 lag diese Kredithürde bei lediglich 18 %.  Mehr als 80 % der Betriebe beschreiben die Banken also als „entgegenkommend“ oder „normal“. Probleme bei der Fremdfinanzierung oder gar eine Kreditklemme sind somit auch in der aktuellen Krisensituation zumindest noch nicht zu beobachten.

Frage: Strahlt die Krise auch auf den Arbeitsmarkt aus und ist im neuen Jahr ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosenquote zur befürchten?

Antwort: Zum Jahresende 2022 lag die Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg trotz der konjunkturellen Krisensignale und der Aufnahme ukrainischer Geflüchteter mit 3,5 % auf dem niedrigsten Stand seit 2019 – vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Auch für das Jahr 2023 erwarten die meisten Konjunkturexperten, dass der Arbeitsmarkt dem konjunkturellen Gegenwind weitgehend standhält. Dies ist vor allem auf die nach wie vor hohe Arbeitsnachfrage zurückzuführen, die einem eingeschränkten und tendenziell kleiner werdenden Angebot an Fachkräften gegenübersteht. Gut ist die Stimmung auf Verbraucherseite dennoch nicht. Angesichts hoher Inflationsraten und dadurch sinkender Realeinkommen lag zum Beispiel das monatlich ermittelte L‑Bank-GfKGesellschaft für Konsumforschung-Einkommensklima zum Jahresende 2022 auf dem tiefsten Stand seit Juni 2003.

Frage: Die schlechte Stimmung der Privathaushalte dürfte sich in Kombination mit steigenden Zinsen auch negativ auf den Bausektor auswirken. Wie ist hier die Situation?

Antwort: Tatsächlich ist die Stimmungslage im Baugewerbe derzeit sehr gedrückt. Mit den steigenden Zinsen, dem Fachkräftemangel und den massiven Preissteigerungen ist einfach ein Mix entstanden, der die Betriebe extrem belastet. So lagen zum Jahreswechsel die Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate im Wohnungsbau sogar auf einem historischen Tiefststand in der seit 1991 durchgeführten L‑Bank-ifo-Konjunkturumfrage. Mehr als 60 % der befragten Wohnungsbauunternehmen klagen zudem über Einschränkungen bei ihren Bautätigkeiten, wobei der Fachkräftemangel inzwischen das gravierendste Problem darstellt. In dieser Situation stellt die Schaffung von ausreichend bezahlbarem und nachhaltigem Wohnraum natürlich eine immer schwierigere Herausforderung dar, die deshalb von allen beteiligten Akteuren umso kraftvoller und entschlossener angegangen werden muss.

Hintergrund

Für den L‑Bank‑ifo‑Konjunkturbericht werden monatlich über 1.200 Unternehmen zu ihrer Einschätzung der aktuellen Geschäftslage sowie ihren Erwartungen für die nächsten sechs Monate befragt. An der L‑Bank‑GfK‑Verbraucherumfrage zur Ermittlung des Preis-, Konjunktur-, Einkommens- und Anschaffungsklimas beteiligen sich in der Regel rund 300 Privatpersonen. Für den L‑Bank‑Wohnungsbau‑Report wird die baden-württembergische Baubranche einmal im Quartal einer vertieften Analyse unterzogen.

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  • Presseinformation: Konjunktur 2023: Hoffnungsschimmer zum Jahreswechsel

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    Eingestellt am 12.01.2023
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