Konjunktur-Interview

Hoffnungsschimmer zum Frühlingsanfang

Aktualisiert am

Pessimismus lässt bei den Südwestunternehmen leicht nach – L‑Bank-ifo-Geschäftsklimaindex noch im negativen Bereich

„Es bleibt zunächst abzuwarten, ob es sich bei der Stimmungsaufhellung wirklich um eine nachhaltige Trendwende oder nur um ein ‚Strohfeuer‘ handelt. Die strukturellen Probleme der Wirtschaft und auch die geopolitischen Risiken sind unverändert geblieben. Das Geschäftsklima liegt immer noch klar im negativen Bereich. Nichtsdestotrotz ist der Anstieg natürlich ein positives Zeichen, das Hoffnung auf eine neue konjunkturelle Dynamik und eine zunehmende Konsumlaune macht“, bewertet L‑​​​​​​Bank-Vorstandsvorsitzende Edith Weymayr die aktuelle Lage.

Karlsruhe, 05.04.2024. Nachdem der L‑Bank-ifoInstitut für Wirtschaftsforschung-Geschäftsklimaindex zuletzt mehr als ein halbes Jahr im negativen zweistelligen Bereich verharrte, war zum Ende des ersten Quartals ein Anstieg zu beobachten. Diese Zunahme ist hauptsächlich auf weniger pessimistische Geschäftserwartungen zurückzuführen – der entsprechende Indexwert liegt zwar weiter deutlich im negativen Bereich, erreichte zuletzt aber den höchsten Stand seit Juni letzten Jahres. Auch ihre aktuelle Geschäftslage beurteilen die Unternehmen minimal besser als noch im Februar.

Frage: Frau Weymayr, die Stimmung der Südwestunternehmen hat sich zum Ende des ersten Quartals verbessert. Erstreckt sich dieser Positivtrend über die gesamte Wirtschaft?

Antwort: Die Stimmungsaufhellung ist bisher weitestgehend auf den Handel und den Dienstleistungssektor begrenzt. In der Industrie und im Baugewerbe ist hingegen bislang noch keine signifikante Verbesserung des Geschäftsklimas erkennbar. Zudem bleibt zunächst abzuwarten, ob es sich wirklich um eine nachhaltige Trendwende oder nur um ein ‚Strohfeuer‘ handelt. Die strukturellen Probleme der Wirtschaft und auch die geopolitischen Risiken sind unverändert vorhanden; das Geschäftsklima liegt immer noch klar im negativen Bereich. Nichtsdestotrotz ist der Anstieg natürlich ein positives Zeichen, das Hoffnung auf eine neue konjunkturelle Dynamik und eine zunehmende Konsumlaune macht.

Frage: Wie stehen generell die Chancen für einen neuen konjunkturellen Schwung in Baden-Württemberg im laufenden Jahr?

Antwort: Wie das Statistische Landesamt gerade bekanntgegeben hat, ist das Bruttoinlandsprodukt in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr um 0,6 % zurückgegangen. Auf Bundesebene belief sich das Minus auf lediglich 0,3 %. Angesichts der bekannten strukturellen Hemmnisse wie dem Fachkräftemangel, den hohen Energiepreisen und der komplizierten Transformation in der Automobilindustrie gibt es auch für das Jahr 2024 wenig Hoffnung auf ein nennenswertes Wachstum des Bruttoinlandsprodukts. Der auf Grundlage unserer Umfrageergebnisse ermittelte L‑Bank-ifo-Frühindikator deutet ebenfalls auf eine stagnierende oder sogar rückläufige Entwicklung in den kommenden Monaten hin.

Frage: Gibt es auch Anzeichen, die Hoffnung auf eine dynamischere Entwicklung machen?

Antwort: Tatsächlich sind die Unternehmen derzeit sehr positiv gestimmt, was die weitere Entwicklung ihrer Auslandsgeschäfte betrifft. Zum Ende des ersten Quartals ist der Indexwert für die sogenannten Exporterwartungen gestiegen. Ein ähnliches Niveau wurde zuletzt im Dezember 2022 erreicht. Die Unternehmen gehen also davon aus, in nächster Zeit von einer Belebung des Welthandels profitieren und mehr exportieren zu können. Das ist natürlich für ein Bundesland wie Baden-Württemberg mit einer sehr industrie- und exportorientierten Wirtschaftsstruktur ein sehr erfreuliches Signal.

Frage: Liegt der Schlüssel für den Weg aus der Krise also für Baden-Württemberg im Außenhandel?

Antwort: Nicht ausschließlich. Auch im Innern müssen die erforderlichen Investitionen und Innovationen natürlich dringend vorangetrieben werden, um den Strukturwandel zu bewältigen. Zumindest aus finanzieller Sicht gibt positive Entwicklungen zu vermelden: Die sogenannte Kredithürde, also der Anteil der Betriebe, die von einem restriktiven Verhalten der Banken in Kreditverhandlungen berichten, ist zuletzt auf 15 % und damit den niedrigsten Stand seit zwei Jahren gefallen. Die Kreditversorgung für die anstehenden Aufgaben ist offenbar gesichert, also die Zinskosten, dürften im Lauf des Jahres ebenfalls sinken.

Frage: Werfen wir einen Blick auf den Arbeitsmarkt. Gibt es auch hier Anzeichen für eine Frühjahrsbelebung?

Antwort: Die saisonal übliche Erholung auf dem Arbeitsmarkt im Frühjahr ist in Baden-Württemberg in diesem Jahr bislang leider ausgefallen. Die Arbeitslosenquote liegt im März mit 4,2 % zwar weiterhin auf einem niedrigen Niveau, ist aber im Vergleich zum Jahresbeginn nicht wie sonst üblich zurückgegangen. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese ersten leichten Krisensignale auf dem Arbeitsmarkt im weiteren Jahresverlauf verschärfen. Um dem entgegenzuwirken, wäre insbesondere ein umfassender Bürokratieabbau erforderlich, den sich sowohl die Bundes- als auch die Landesregierung explizit zum Ziel gesetzt haben und der bei intelligenter Umsetzung wie ein Konjunkturprogramm zum Nulltarif wirken könnte.

Frage: Könnte es zu Stellenstreichungen in den Unternehmen kommen?

Antwort: In unserer Konjunkturumfrage werden die Unternehmen auch nach ihren Personalplanungen befragt. Die Ergebnisse geben derzeit leider wenig Anlass zur Hoffnung. So liegt das sogenannte Beschäftigungsbarometer im verarbeitenden Gewerbe bereits seit Mitte letzten Jahres im negativen Bereich. Die Industriebetriebe planen also tendenziell Personal abzubauen. Das dämpft natürlich auch die Stimmung bei den Arbeitnehmern und hat zur Folge, dass in unserer L‑Bank-GfKGesellschaft für Konsumforschung-Verbraucherumfrage sowohl das Einkommens- als auch das Anschaffungsklima weiter deutlich im negativen Bereich liegen. Sowohl die Unternehmen als auch die Menschen im Land lechzen derzeit nach positiven Nachrichten und Stabilität, damit eine neue Dynamik entstehen kann.

Hintergrund

Für den L‑Bank-ifo-Konjunkturbericht werden monatlich über 1.200 Unternehmen zu ihrer Einschätzung der aktuellen Geschäftslage sowie ihren Erwartungen für die nächsten sechs Monate befragt. An der L‑Bank-GfK-Verbraucherumfrage zur Ermittlung des Preis-, Konjunktur-, Einkommens- und Anschaffungsklimas beteiligen sich in der Regel rund 300 Privatpersonen. Für den L‑Bank-Wohnungsbau-Report wird die baden-württembergische Baubranche einmal im Quartal einer vertieften Analyse unterzogen.

Downloads

  • Presseinformation: Konjunkturinterview Q1

    Pessimismus lässt bei den Südwestunternehmen leicht nach – L‑Bank-ifo-Geschäftsklimaindex noch im negativen Bereich

    „Es bleibt zunächst abzuwarten, ob es sich bei der Stimmungsaufhellung wirklich um eine nachhaltige Trendwende oder nur um ein ‚Strohfeuer‘ handelt. Die strukturellen Probleme der Wirtschaft und auch die geopolitischen Risiken sind unverändert geblieben. Das Geschäftsklima liegt immer noch klar im negativen Bereich. Nichtsdestotrotz ist der Anstieg natürlich ein positives Zeichen, das Hoffnung auf eine neue konjunkturelle Dynamik und eine zunehmende Konsumlaune macht“, bewertet L‑Bank-Vorstandsvorsitzende Edith Weymayr die aktuelle Lage.

    Gültig
    Eingestellt am 05.04.2024
    Gültig ab 05.04.2024
    Download starten PDF, 58,7 KB