Konjunktur-Interview

Aufschwung lässt noch auf sich warten: L-Bank-ifo-Geschäftsklimaindex im Minus trotz positiver Anzeichen

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L‑Bank-Vorstandsvorsitzende Edith Weymayr: „Die Stimmungslage in Baden-Württemberg hat sich insgesamt schlechter entwickelt als auf Bundesebene. Das hängt mit der vergleichsweise großen Bedeutung der Industrie für Baden-Württemberg zusammen. Es zeigt auch, wie stark regionale Wirtschaftsstrukturen die konjunkturelle Dynamik prägen. Ein kräftiger Aufschwung erscheint derzeit unwahrscheinlich. Die Erholung bleibt fragil – und sie wird eher ein langer Prozess als ein schneller Durchbruch.“

Karlsruhe, 10.07.2025. Nach einer Aufhellung im Frühjahr hat sich die konjunkturelle Stimmung in Baden-Württemberg im zweiten Quartal 2025 kaum weiter verbessert. Der L‑Bank- Institut für Wirtschaftsforschung -Geschäftsklimaindex liegt weiterhin deutlich im negativen Bereich. Zwar blicken die Unternehmen im Vergleich zum Vorquartal etwas optimistischer in die kommenden Monate; die Einschätzung der aktuellen Lage fällt derzeit aber so schlecht aus wie seit rund fünf Jahren nicht mehr.

Frage: Frau Weymayr, der L‑Bank-ifo-Geschäftsklimaindex verharrt im zweiten Quartal 2025 auf niedrigem Niveau. Während sich im verarbeitenden Gewerbe die Stimmung sogar wieder verschlechtert hat, zeigen sich die Dienstleister optimistischer. Wie bewerten Sie die auseinanderlaufende Entwicklung in diesen beiden zentralen Wirtschaftssektoren?

Antwort: Wir haben tatsächlich im Moment eine gespaltene Konjunkturstimmung im Land. Auf der einen Seite leidet die Industrie – traditionell das Rückgrat der baden-württembergischen Wirtschaft – weiter unter einer schwachen Nachfrage sowie strukturellem Anpassungsdruck und internationalen Unsicherheiten. Dass der Geschäftsklimaindex im verarbeitenden Gewerbe im zweiten Quartal spürbar gefallen ist, ist die Folge davon. Und es ist besorgniserregend. Auf der anderen Seite zeigt der Dienstleistungssektor eine gewisse Robustheit: Dort hat sich das Geschäftsklima zuletzt merklich aufgehellt, was stützende Effekte für die Gesamtwirtschaft bringt. Auffällig ist, dass sich die Stimmungslage in Baden-Württemberg insgesamt schlechter entwickelt hat als auf Bundesebene. Das hängt sicherlich mit der vergleichsweise großen Bedeutung der Industrie für Baden-Württemberg zusammen – und es zeigt, wie stark regionale Wirtschaftsstrukturen die konjunkturelle Dynamik prägen.

Frage: Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, ob wir 2025 überhaupt noch mit einem nennenswerten konjunkturellen Aufschwung rechnen können?

Antwort: Ein kräftiger Aufschwung erscheint derzeit eher unwahrscheinlich. Zwar war der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland im ersten Quartal mit 0,4 % überraschend deutlich – allerdings war dieser auch durch Sondereffekte wie vorgezogene Exporte in die USA getrieben. Für das Gesamtjahr rechnet deshalb zum Beispiel das ifo Institut nur mit einem sehr verhaltenen Wachstum von rund 0,3 %. Die Erholung bleibt also fragil – und sie wird eher ein langer Prozess als ein schneller Durchbruch.

Frage: Wie ist die Stimmung bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern?

Antwort: Von einer Aufhellung der Verbraucherstimmung war auch im zweiten Quartal leider kaum etwas zu spüren. In unserer L‑Bank- Gesellschaft für Konsumforschung -Verbraucherumfrage liegen die Werte für das Konjunktur- und Anschaffungsklima weiterhin tief im negativen Bereich. Ein Grund dafür dürfte sein, dass die sonst übliche Frühjahrsbelebung auf dem baden-württembergischen Arbeitsmarkt auch in diesem Jahr wieder weitgehend ausgefallen ist. Die Arbeitslosenquote lag im Juni bei 4,5 % – das sind 0,4 Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr. Hier ist die schon angesprochene angespannte Lage in der Industrie mit ursächlich: Die L‑Bank-ifo-Konjunkturumfrage zeigt, dass viele Industriebetriebe tendenziell mit einem weiteren Personalabbau planen. Das verunsichert Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und wirkt sich spürbar auf das Konsumverhalten aus – viele Haushalte bleiben zurückhaltend.

Frage: Lassen Sie uns abschließend noch auf den Wohnungsbau blicken – ein Sektor, der für Wirtschaft und Gesellschaft von enormer Bedeutung ist und seit Längerem in der Krise steckt. Gibt es inzwischen Anzeichen für eine Erholung?

Antwort: Es gibt zumindest erste Lichtblicke: Das Geschäftsklima im baden-württembergischen Wohnungsbau hat sich im ersten Halbjahr 2025 spürbar aufgehellt. Im Mai wurde sogar der höchste Wert seit Oktober 2022 erreicht – das zeigt, dass sich die Stimmung in der Branche stellenweise bessert. Nichtsdestotrotz bleibt die Lage angespannt. Im Juni ist der Stimmungsindex bereits wieder gesunken. Die befragten Betriebe bewerten ihre aktuelle Lage weiterhin negativ und auch bei den Geschäftserwartungen dominiert der Pessimismus.

Frage: Woran liegt es, dass der Wohnungsbau noch nicht nachhaltig in Schwung kommt?

Antwort: Es fehlt nach wie vor an Aufträgen, weil sich viele Bauherren und Investoren angesichts hoher Baukosten und Zinsen weiterhin zurückhalten. Gleichzeitig bleibt der Fachkräftemangel ein strukturelles Problem. Selbst dort, wo Projekte anlaufen könnten, fehlen oft die personellen Kapazitäten. Das erschwert der Branche eine rasche Erholung. Auch die Genehmigungszahlen spiegeln das wider: Im ersten Quartal wurden laut Statistischem Landesamt in Baden-Württemberg rund 4.700 Neubauwohnungen genehmigt – 9 % weniger als im Vorjahr. Der ‚Bau-Turbo‘ der Bundesregierung könnte hier helfen; er wird seine Wirkung aber frühestens gegen Ende des Jahres entfalten.

Hintergrund:

Für den L‑Bank-ifo-Konjunkturbericht werden monatlich über 1.200 Unternehmen zu ihrer Einschätzung der aktuellen Geschäftslage sowie ihren Erwartungen für die nächsten sechs Monate befragt. An der L‑Bank-GfK-Verbraucherumfrage zur Ermittlung des Preis-, Konjunktur-, Einkommens- und Anschaffungsklimas beteiligen sich in der Regel rund 300 Privatpersonen. Für den L‑Bank-Wohnungsbau-Report wird die baden-württembergische Baubranche einmal im Quartal einer vertieften Analyse unterzogen.

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    L‑Bank-Vorstandsvorsitzende Edith Weymayr: „Die Stimmungslage in Baden-Württemberg hat sich insgesamt schlechter entwickelt als auf Bundesebene. Das hängt mit der vergleichsweise großen Bedeutung der Industrie für Baden-Württemberg zusammen. Es zeigt auch, wie stark regionale Wirtschaftsstrukturen die konjunkturelle Dynamik prägen. Ein kräftiger Aufschwung erscheint derzeit unwahrscheinlich. Die Erholung bleibt fragil – und sie wird eher ein langer Prozess als ein schneller Durchbruch.“

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    Eingestellt am 10.07.2025
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