L-Bank-Vorstandsvorsitzende Edith Weymayr: „Der Rückfall im September zeigt, wie tief die Probleme sitzen. Die Unternehmen bleiben von hohen Kosten, schwacher Nachfrage und geopolitischen Unsicherheiten belastet.“
Konjunktur-Interview
Wirtschaftslage im Südwesten erfährt herben Rückschlag zum Quartalsende
Karlsruhe, 14.10.2025. Nach zwei Monaten vorsichtiger Erholung hat die Konjunkturstimmung in Baden-Württemberg im September einen deutlichen Rückschlag erlitten. Der L‑Bank- Institut für Wirtschaftsforschung -Geschäftsklimaindex fiel auf minus 15 Punkte – und liegt damit zum Ende des dritten Quartals weiterhin klar im Minus und nur unwesentlich über dem Stand vom Juni.
Frage: Frau Weymayr, im Sommer schien sich die Konjunkturstimmung in Baden-Württemberg zunächst aufzuhellen – doch im September folgte wieder ein Dämpfer. Wie ist dieses Auf und Ab zu interpretieren?
Antwort: Der Anstieg des Geschäftsklimaindex im Juli und August hatte die Hoffnungen auf eine konjunkturelle Wende genährt. Der Rückfall im September zeigt jedoch einmal mehr, wie tief die Probleme sitzen. Die Unternehmen bleiben von hohen Kosten, schwacher Nachfrage und geopolitischen Unsicherheiten belastet. Die Reformpläne der Bundesregierung enthalten zwar richtige Ansätze, doch sie reichen bisher offenkundig nicht aus, um eine wirkliche Aufbruchsstimmung zu erzeugen. Damit aus Ankündigungen Vertrauen entsteht, braucht es nun konkrete Taten und die vor allem Tempo.
Frage: Viele Firmen berichten, dass Banken bei Krediten zunehmend zurückhaltend agieren – auch in Baden-Württemberg ist die Kredithürde zuletzt deutlich gestiegen. Wie groß ist die Gefahr, dass Finanzierungsengpässe zur nächsten Belastung für die Wirtschaft werden?
Antwort: Die gestiegene Kredithürde ist ein klares Warnsignal: Wenn fast ein Drittel der Unternehmen die Kreditvergabe als restriktiv empfinden, dann wirkt diese Wahrnehmung wie ein zusätzlicher Bremsfaktor – besonders in Zeiten, in denen Investitionen dringend nötig wären. Der Kreditzugang wurde dabei zuletzt über alle Wirtschaftssektoren hinweg beschwerlicher. Im Einzelhandel und bei den Dienstleistern berichteten sogar jeweils rund 40 % der Unternehmen von einem restriktiven Verhalten der Banken.
Frage: Im baden-württembergischen Wohnungsbau gab es im zweiten Quartal hingegen positive Signale: Die Baugenehmigungen sind laut Statistischem Landesamt deutlich gestiegen. Was bedeutet das für die Branche?
Antwort: Die Entwicklung ist ein ermutigendes Zeichen. Baugenehmigungen sind immer ein Frühindikator für die zukünftige Auftragslage und die Bautätigkeit im Wohnungsbau. Passend hierzu beobachten wir in unserer Konjunkturumfrage derzeit auch eine klare Stimmungsaufhellung in der Branche. So sind die Geschäftserwartungen im Wohnungsbau derzeit so zuversichtlich wie zuletzt Anfang 2022, als es noch nicht zum Angriff Russlands auf die Ukraine mit seinen weitreichenden Folgen gekommen war.
Frage: Kann man angesichts der gestiegenen Zuversicht schon von einer Trendwende im Wohnungsbau sprechen?
Antwort: Die bessere Stimmung hängt vor allem mit einer – teilweise bereits eingetretenen und teilweise für die Zukunft erhofften – Erholung der Auftragslage im Wohnungsbau zusammen. So ist der Anteil der Unternehmen, die über Auftragsmangel klagen, im September erstmals seit zwei Jahren wieder unter 40 % gesunken. Trotzdem bleiben die Herausforderungen deutlich spürbar: Fachkräftemangel, hohe Baukosten und das gestiegene Zinsniveau bleiben belastende Faktoren. Eine echte Trendwende ist also noch nicht erreicht, aber die Stimmung hat sich im Verlauf des Jahres bereits klar gebessert.
Frage: Von der Verbraucherseite ist bereits seit längerer Zeit wenig Rückenwind für die Konjunktur zu spüren. Das L‑Bank- Gesellschaft für Konsumforschung -Anschaffungsklima liegt bereits seit mehr als sechs Jahren ununterbrochen im negativen Bereich. Was sagt diese Entwicklung über die wirtschaftliche Stimmung im Land aus?
Antwort: Die lange Durststrecke zeigt, wie tief die Verunsicherung bei den Menschen in Baden-Württemberg sitzt. Wer über einen so langen Zeitraum keine Bereitschaft oder keine Möglichkeit hat, Geld für größere Ausgaben in die Hand zu nehmen, dem fehlt vermutlich das Vertrauen in die Zukunft. Erschwerend kommt hinzu, dass der Arbeitsmarkt zuletzt eher beunruhigende Signale gesendet hat. Viele Unternehmen bauen Personal ab und die Zahl der Arbeitslosen in Baden-Württemberg liegt inzwischen bei über 300.000. Zudem ist die Inflation im Südwesten nach Angaben des Statistischen Landesamtes im September wieder auf 2,7 % und damit auf einen Jahreshöchststand gestiegen, was die Kaufkraft der privaten Haushalte weiter schmälert.
Frage: Was müsste aus Ihrer Sicht geschehen, damit sich die konjunkturelle Stimmung in absehbarer Zeit wieder aufhellt?
Antwort: Wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher angesichts dieser Lage nicht konsumieren, schwächt das die Konjunktur – und eine schwache Konjunktur verstärkt wiederum die Sorgen. Diesen Kreislauf gilt es zu durchbrechen, indem wir Zuversicht zurückgewinnen – das werden wir nur durch Verlässlichkeit und konkrete Perspektiven erreichen.
Hintergrund:
Für den L‑Bank-ifo-Konjunkturbericht werden monatlich über 1.200 Unternehmen zu ihrer Einschätzung der aktuellen Geschäftslage sowie ihren Erwartungen für die nächsten sechs Monate befragt. An der L‑Bank-GfK-Verbraucherumfrage zur Ermittlung des Preis-, Konjunktur-, Einkommens- und Anschaffungsklimas beteiligen sich in der Regel rund 300 Privatpersonen. Für den L‑Bank-Wohnungsbau-Report wird die baden-württembergische Baubranche einmal im Quartal einer vertieften Analyse unterzogen.